Die Wissenschaft (und Kunst) der perfekten Veloschuh-Einstellung

Stell deine Cleats richtig ein

Wir verbringen unsere Tage damit, Velos zu reparieren und mit Fahrer:innen zu sprechen – Pendler:innen, Gravel-Abenteurer:innen, Triathlet:innen. Und immer wieder hören wir dasselbe:
«Mein Knie tut weh.» oder «Meine Zehen schlafen ein.»
In den meisten Fällen liegt die Ursache nicht am Sattel oder an der Kurbellänge – sondern an den Cleats.

Wir verkaufen keine Velos oder Ausrüstung.
Was wir aber täglich sehen, sind die Folgen kleinster Fehlstellungen zwischen Schuh und Pedal. Schon wenige Millimeter können den Unterschied machen – zwischen rundem Tritt und dauerhaftem Schmerz.
Hier erfährst du, was Forschung und Werkstatterfahrung darüber sagen, wie du deine Cleats richtig einstellst.

Warum die Cleat-Position wichtig ist

Deine Cleats bestimmen, wie Hüfte, Knie und Sprunggelenk zusammenarbeiten. Schon kleinste Veränderungen beeinflussen die Gelenkwinkel und die Muskelbelastung.
Aktuelle Forschung zeigt: Bereits eine Verschiebung der Cleats um ±15 mm nach vorne oder hinten verändert die Bewegungsabläufe von Hüfte, Knie und Sprunggelenk deutlich – ohne die Leistung zu beeinträchtigen (Chartogne et al., 2023). Ebenso kann schon eine kleine Veränderung des Cleat-Winkels – um nur wenige Grad – die Gelenkkinematik und die auf das Pedal wirkenden Kräfte messbar beeinflussen (Sola-López et al., 2023).

In der Praxis führt eine falsche Cleat-Position häufig zu Schmerzen an der Innen- oder Aussenseite des Knies, zu Wadenverspannungen oder tauben Zehen – Beschwerden, die wir bei CycleLab jede Woche hören.
Das Ziel ist klar: Dein Knie sollte sich beim Treten senkrecht über dem Pedal bewegen, und der Druck sollte gleichmässig über dem Ballen deines Fusses verteilt sein.
Alles andere erzeugt Reibung – genau dort, wo sie nicht hingehört.

Schritt 1 - Vordere-Achse-Ausrichtung

Ein guter Ausgangspunkt ist, die Pedalachse knapp unter dem Fussballen zu platzieren.
Die meisten Bike-Fitter gehen heute sogar etwas weiter nach hinten - etwa 5 mm hinter dem Ballen -, um den Druck auf den Vorfuss und die Ermüdung der Waden zu verringern. Biomechanische Studien bestätigen, dass eine nach hinten gerichtete Schuhplattenposition die Belastung der Achillessehne verringern kann, ohne die Leistungsabgabe zu beeinträchtigen (McDaniel et al., 2013). Wenn sie zu weit vorne stehen, spürst du "Hot Spots" oder Nervenkompression unter den Zehen.

Schritt 2 - Seitliche Position

Von vorne betrachtet sollten sich deine Knie beim Treten gerade – also senkrecht – über den Pedalen bewegen.
Wenn dein Knie nach innen kippt, schieb den Cleat leicht nach aussen (in Richtung kleiner Zeh). Wandert es nach aussen, verschieb ihn entsprechend nach innen.
Eine Übersichtsstudie von Fitzgibbon et al. (2016) zeigt, dass eine möglichst senkrechte Beinachse – manchmal unterstützt durch kleine Keile unter dem Cleat – die Belastung auf das Knie deutlich reduziert.
Einfache Faustregel: Deine Kniescheibe sollte sich beim Pedalieren genau über der Pedalachse bewegen.

Schuhpassform und Einlagen

Selbst perfekt eingestellte Cleats bringen dir nichts, wenn deine Schuhe nicht richtig passen.
Wähle Schuhe, die eng sitzen, ohne dass sich die Ferse hebt, und vermeide es, den Vorderfuss einzuengen. Sehr steife Carbonsohlen konzentrieren den Druck auf wenige Punkte – stützende Einlegesohlen helfen, ihn gleichmässig zu verteilen.
Studien zeigen, dass feste, anatomisch geformte Einlagen den Spitzendruck unter dem Ballen deutlich reduzieren können (Jarboe & Quesada, 2003).
Ein stabiler Schuh sorgt zudem dafür, dass deine Cleat-Position konstant bleibt – und deine Füsse sich wohler fühlen.

Quick Checklist

  • Pedalachse unter oder knapp hinter dem Fussballen

  • Knieführung gerade (vertikaler Schaft)

  • Natürlicher Fusswinkel - keine erzwungene Drehung

  • Angenehme Passform, fester Halt der Einlegesohle

  • Schrauben müssen fest sein, Position nach den ersten Fahrten unbedingt erneut geprüft

Bei der Wahl der richtigen Schuhplatten geht es nicht um marginale Vorteile - es geht um Komfort, Langlebigkeit und schmerzfreie Fahrten.

Quellen:

  1. Fitzgibbon, S. et al. (2016). Foot-pedal interface adjustments and their effect on cycling kinematics. Journal of Science & Cycling, 5(3), 45-52.

  2. Jarboe, N. & Quesada, P. (2003). Einfluss der Sohlensteifigkeit auf die plantare Druckverteilung in Radschuhen. Zeitschrift für Biomechanik, 36(8), 1101-1107.

  3. Sola-Lopez, J., Castillo-López, J. M., Panera-Rico, E., Reina-Bueno, M., Fernández-Seguín, L. M., & Ramos-Ortega, J. (2023). Analyse des Einflusses der Winkelposition der Stollen in Kinematik und Kinetik. Angewandte Wissenschaften, 13(6), 3922. https://doi.org/10.3390/app13063922

  4. Chartogne, M., Bini, R., & Grappe, F. (2023). Akute Auswirkungen kleiner Veränderungen der antero-posterioren Schuhsohlenposition auf die Biomechanik des Tretens. Zeitschrift für Wissenschaft und Radsport, 12(1), 32-39. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35129429

  5. McDaniel, J., Behjani, N., & Martin, P. (2013). The effects of cleat location on muscle recruitment strategies of cycling. Proceedings of the International Society of Biomechanics in Sports, 31(1), 1-4. https://ojs.ub.uni-konstanz.de/cpa/article/view/5625/5119

  6. Gregor, R. J., Broker, J. P., & Ryan, M. M. (1994). Biomechanische Faktoren im Zusammenhang mit der Schnittstelle Schuh/Pedal. Sportmedizin, 17(1), 51-61. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/8171222

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